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09.03.2008

SpON und sein schlechter Ruf

Update: SpON hat den Personenverdreher um Heindorf und Wächter inzwischen korrigiert und auch die Schlaganfallspatienten haben nun keinen Herzinfarkt mehr. Das wiederum möchte ich der Seite positiv angerechnet wissen, eine nachträgliche Korrektur ist auch online nicht selbstverständlich.
Alle wesentlichen Kritikpunkte meinerseits an dem Artikel sind somit ausgeräumt.
Ich lasse den Artikel zur Dokumentation online.


Spiegel Online hat im Internet einen zunehmend schlechten Ruf. Das ist in einem Medium, in dem man schnell für den kleinste Kommafehler in Verruf geraten kann, ein Troll zu sein, wenig überraschend.

Wie schlimm es ist merkt man erst, wenn man über ein Thema liest, zu dem man Wissen aus Erster Hand hat. Etwa bei der Berichterstattung über eine Konferenz auf der man war.
So jetzt geschehen bei der Serious Games Conference 2008, die am Mittwoch in Hannover statt fand und bei der ich anwesend sein durfte.
Und der Spiegel auch.

An dem Artikel ist aber dermaßen viel falsch, dass ich mich frage, ob der Verfasser der Meldung denn auch wirklich eigentlich anwesend war. Mir ist zwar niemand vom Spiegel aufgefallen, was nichts heissen muss, da ich Mathias Hamann nicht kenne, aber der Text lässt offen gestanden nicht den Schluss zu, dass ich ihn dort hätte antreffen können.
Achja, für das Lesen des folgenden Textes empfehle ich einen Kaffee und gemütlichen Sitzplatz. Ich liste genüsslich die mir aufgefallenen Fehler und Unstimmigkeiten auf und das wird lang.

Fangen wir an mit Susanne Wolters. Die Dame ist dem Spiegel zufolge erklärte "militante Game-Gegnerin", benutzt vollkommen selbstverständlich das eher unter Zockern gebrauchte Wort "Game", hat einen Bruder, der dem Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) vorsitzt, setzt im Krankenhaus eine Wii ein und will ein (okay, therapiestützendes) Ballerspiel für ihre Patienten (sie ist Kinderärztin) - ergibt das irgendwie eine koheränte Personenbeschreibung?
Wobei man fairerweise anmerken muss, dass es sich ja um eine Selbstbezeichnung der dame handelt. Was das ganze irgendwie noch schräger macht.

Wieso der Satz "Früher waren ernsthafte Spiele meist langweilig, aber langsam gibt es immer mehr, die Spaß machen" beim Spiegel in Anführungszeichen steht weiss wohl auch niemand, ein wörtliches Zitat vom Podium ist es jedenfalls nicht.
Am nächsten kommt noch die Aussage Ute Ritterfelds, der Großteil aller Serious Games sei nachgewiesen langweilig - dass es inzwischen aber besser geworden ist, hat niemand behauptet, ausser vielleicht Lea Treese von Nintendo in einem Beitrag, der mehr peinliche Marketing-Vorstellung als Konferenzbeitrag war.

Ursache dafür könnte aber auch sein, dass der anwesende Spiegel-Schreiberling kein Englisch sprach. Die englischen Beiträge des Vormittags (Sara de Freitas über Virtuelle Welten in der Medizinerausbildung, Ute Ritterfeld über Serious Games Design) blieben nämlich unerwähnt - bis auf den ersten zu Re-Mission, was vermutlich daran lag, dass der mit gut leserlichen und leicht verständlichen PowerPoint-Statistiken daherkam.

So etwas zurück, in den Teil des Textes, der direkt unter dem Eigenwerbeblock beginnt. Nachdem ich mit Erstaunen feststellen durfte, dass Bruno Kollhorsts Name korrekt geschrieben und zugeordnet wurde kommen wir zu Oliver Wächter, bei dem das nicht der Fall ist.
Er und der vorhin kurz erwähnte Ralf Heindorf tauschen mal eben die Rollen.
Also: Wächter gehört zum Medienunternehmen Abraxas und hat die angesprochene Software entwickelt. Heindorf ist jener Psychotherapeut, der damit arbeitet. Da Heindorf im Text aber gar nicht erst existiert, ist das nicht so einfach rauszufinden - um nicht zu sagen gar nicht.

Ich hab im zweiten Satz zu Heindorf und Wächter mal kurz alle Wörter durchgestrichen, die falsch sind:

Der therapiert im Reha-Zentrum Friedehorst Herzinfarktpatienten mit Lesestörungen.

Immerhin, die richtige Klinik wurde angegeben.

"Der" ist falsch, weil es sich auf Wächter bezieht, hier abermüsste Heindorfs Name stehen.

"Herzinfarktpatienten" in einem neurologischen Rehazentrum haben sich definitiv verfahren. Die Klinik behandelt Schlaganfallpatienten. Schlaganfall ist zwar auch als Hirninfarkt bekannt und hat die ungefähr selben Ursachen wie ein Herzinfarkt, trotzdem sind das zwei grundlegend unterschiedliche gesundheitliche Zustände.

"Lesestörungen" kommen zwar bei Schlaganfallpatienten durchaus vor, sind aber nicht das Hauptproblem. Vor allem wäre eine Lesestörung als Folge eines Herzinfarkts, wie es der Text ja ohne Korrekturen behauptet eine ziemlich seltsame Sache. Zwar haben Heindorf und Wächter mit Buchstabenerkennung gearbeitet, aber nicht nur und dass dies der Behebung von Lesestörungen diene haben sie mit keinem Wort erwähnt - dafür aber die Behandlung von Gesichtsfeld-, Rotations- und Mustererkennungsstörungen.

Liest beim Spiegel eigentlich jemand Korrektur? Zumindest die durch einen Herzinfarkt ausgelöste Lesestörung sollte bei einer solchen Anlass zum Stirnrunzeln geben.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Tja, ein wenig um sich schlagen und dann selbst schlecht recherchieren.
Ich war auch bei der Veranstaltung, langweilig war sie nicht. Ich habe zumindest reichlich gelacht oder zumindest geschmunzelt.
…und ich weiß, dass ein Geschäftsführer keinem Verband vorstehen kann. Der BIU hat einen Vorstand.
Ups.

Thomas Diehl hat gesagt…

Das mit dem Geschäftsführer hab ich vom Spiegel übernommen, war mir nicht aufgefallen (wie gesagt, ich habe nur gelistet, was mir aufgefallen ist).

Und wo genau hab ich die Veranstaltung als langweilig bezeichnet?
Ich habe Ute Ritterfeld zitiert, die aussagte, Serious Games (nicht die Serious Games Conference) seien langweilig.

Thomas Diehl hat gesagt…

Oh, Moment, das steht ja bei mir gar nicht, dass er Geschäftführer wäre. da steht, dass er dem BIU vorsitzt, was jegliche Führungsposition bezeichnen kann.

Wo genau wirfst du mir hier schlechte Recherche vor?

Anonym hat gesagt…

Ich war auch bei der Konferenz.

Der falsche Name ist übrigens korrigiert.

Mit Anmerkung und Bitte um Entschuldigung.

Und zur Game Gegnerin - hast Du sie gefragt? Oder denkst Du nicht, daß der Reporter sie gefragt haben kann?

Manche fragen ja noch nach.

Thomas Diehl hat gesagt…

Ich kann mir hier durchaus eine falsche Selbsteinschätzung oder Ironie vorstellen (das werde ich entsprechend im Haupttext ergänzen). Unter einer militanten Game-Gegnerin verstehe ich dann doch etwas anderes.

Anonym hat gesagt…

Moin,

ich war verwundert, als ich den Bericht in SpON gelesen habe ... und noch verwunderter, daß der Namensdreher korrigiert wurde. Ich persönlich hatte angesichts der Vielzahl von Ungenauigkeiten von einer Benachrichtigung beim SpON abgesehen.

Nun also meinen Dank an Dich, daß Du Dich drum gekümmert hast :-)

... damit ist die Fehlerquote auf SpON zwar nur infinitesimal gesenkt, aber uns freut es :-))

Ciao
Oliver

Thomas Diehl hat gesagt…

Tja, motzen kann ich halt. 8-)