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19.01.2012

Quergecovert

Ich bin im Grunde ein Verfechter der Idee, dass eBook-Cover ein ähnliches Format wie Buchcover haben sollten. Weniger aus technischen Gründen, sondern weil die Leser diese Form vom gedruckten Buch gewöhnt sind und somit danach suchen. Allerdings denke ich auch, dass das eBook sich im Laufe der kommenden Jahre langsam zu eigenen Formen entwickeln wird.
Im Dezember und erneut im Januar sind mir ein paar Cover für Kurzgeschichten aufgefallen, die in dieser Frage etwas anders vorgehen:


Was diesen Covern gemein ist, ist offensichtlich: Sie kehren das übliche Seitenverhältnis um und erscheinen so in einer Art Panorama-Format. Die Ergebnisse sind extrem unterschiedlich, daher lohnt es sich, die Cover mal einzeln anzuschauen und dann einen vorläufigen Schluss zum Einsatz des Panorama-Formats in eBooks zu ziehen. Dabei geht es vorrangig um die Besonderheiten des Formats


Cor Setti (Genre:Science-Fiction) ist ein sehr leeres Cover. Das Motiv passt zum Genre und könnte grundsätzlich auch funktionieren, leider arbeitet das Format dagegen. Die extreme Breite in Kombination mit den winzigen Lichtpunkten des Sternsystems und dem kurzen Titel erzeugt einen gewaltigen schwarzen Leerraum, der wenig einladend wirkt. Auf einem aufrechten Cover wären diese Punkte weniger weit verteilt und das Ganze würde deutlich kompakter wirken. Alles in allem sehen wir hier die erste Gefahr des Formats: Entstehen großer Leerräume, da das Cover in der Breite größer wird.

Das gegenteilige Problem finden wir bei Die Schlacht von Reinach (Fantasy). Während die Breite optisch zunimmt, verringert sich natürlich die Höhe. Dessen wurde dieses Cover Opfer, alles ist vertikal gestaucht und hat kaum Platz neben dem Titelbild. Grundsätzlich wäre es möglich gewesen, den text in den weissen oberen Bildbereich zu setzen, er müsste dann nur ein wenig kleiner sein. Das englischsprachige Original dieses Covers hat interessanterweise gar keinen Text. Der Eindruck, dass der Text für die deutsche Übersetzung nachträglich aufgeflanscht wurde verstärkt sich auch durch die gewählte Schriftart, die so gar nicht zum Genre passen will, aber das hat ja nichts mit dem Coverformat zu tun.


Kommen wir mal zu einem gelungenen Beispiel. Sydney's Sin (SF/Erotik) leidet zwar unter einem anderen Problem (unlesbare Schrift), aber das Format ist gut gewählt. Das Titelbild ist nichtssagend, aber das ist für Erotik typisch, hier gibt es nur selten aufwendig gestaltete Cover oder gar solche mit inhaltlichem Bezug zur Geschichte. Aber hier geht es ja um das Format: Eine allgemein bekannte Verwendung des Panorama-Formats ist das Playboy Centerfold. Das Motiv der liegenden Frau folgt dem „liegenden“ Format des Covers, Titel und Autorenname sind so verteilt, dass die Breite des Bildes komplett genutzt ist.

Im Englischen bezeichnet man das Panorama-Format als Landscape Format, weshalb das Titelbild von The Challenge of the Mountains (Erotik) naheliegt. Der Hintergrund wird mit einem Bild der Berge aus dem Titel ausgefüllt, was passt und auch das Cover gut ausfüllt. Links steht eine Frau, die allerdings etwas verloren wirkt. Das ist umso erstaunlicher, als das Buch von Sex zu viert handelt (das, äh, sagt die Beschreibung). Ich sehe auf dem Cover weder Sex noch vier Leute, wodurch nicht nur das Genre schwer zu erkennen ist, sondern vor allem eine gewisse Leere entsteht. Nicht so deutlich wie bei Cor Setti, aber dennoch auffällig. Es schrammt grade so daran vorbei, dass ihm daraus ein Problem erwächst. Ursache dürfte der Widerspruch zwischen der aufrecht stehenden Frau und dem „liegenden“ Cover sein.
In dieser Hinsicht vollumfänglich gelungen ist das Cover zu Beach Pleasures vom selben Autor. Ein interessantes Detail an diesen beiden Covern ist, dass sie zu einer Serie gehören, zu der auch ein Sammelband verfügbar ist - und dieser hat das klassische Format. Der Covergestalter (der Name scheint kein Pseudonym zu sein) hat also offenbar ganz bewusst die unterschiedlichen Formate gewählt um auf unterschiedlich lange Geschichten hinzuweisen.

Und damit zum Schluss: Kurzgeschichten mit einem eigenen Coverformat zu kennzeichnen ist eine interessante Idee, deren Weiterverfolgng sich meiner Meinung nach lohnt. Natürlich muss man sich einigen, bis wann eine Geschichte eigentlich kurz ist, aber schon am Cover zu sehen, was man bekommt, ist durchaus praktisch. Ich persönlich bevorzuge auf dem Kindle Kurzgeschichten, da sie sich bei einer Bahnfahrt komplett ohne große Unterbrechungen lesen lassen und würde so etwas wohl schnell in meine unterbewusste Liste von Dingen einfügen, die einen Titel für mich interessant machen. Ich glaube sogar, das ist schon passiert.
Allerdings bringt das neue Format auch neue Herausforderungen mit sich da es eine gänzlich andere Gestaltung der Cover verlangt. Traditionelle Buchcover sind mit Ausnahme einiger Fotobände aufrecht ausgerichtet. Dieses Format ist einfacher zu layouten, weil ein beliebig kurzer Text die ganze Breite nutzen kann. Nutzt er die nicht, ist der Freiraum nicht so groß, dass er stören würde. Im Panorama hingegen sind die horizontalen Räume viel weiter, es besteht die Gefahr zu großer Freiräume. Da der Text nicht zu groß werden kann, ohne an vertikale Grenzen zu stoßen, macht das eine völlig andere Raumnutzung erforderlich - bietet aber auch entsprechend ganz neue gestalterische Möglichkeiten.

Also: Grundsätzlich meine Empfehlung zur Nutzung des breiten Formates bei Kurzgeschichten, aber mit deutlichem Hinweis auf die völlig anderen gestalterischen Anforderungen. Ich bin sehr gespannt, was uns dieses noch sehr seltene Format in Zukunft an Schmuckstücken auf die Lesegeräte bringt.

Schamlose Eigenwerbung
Mehr von mir zum Thema eBook-Coverdesign gibt es in Dieses Cover ist Müll! für Kindle. Das Thema Coverformate wird ein neues Kapitel in der kommenden dritten Auflage werden, auf die alle Käufer der aktuellen zweiten Auflage nach Veröffentlichung natürlich kostenlos Zugriff haben.
Weitere Themen sind Titelfindung, Wahl und Quellen für ein Titelbild, Verwendung von Schrift und alles, was man sonst zum Erstellen eines professionell wirkenden Covers wissen muss.

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